Gedichte und Geschichten von Victoria Frost              Der Nachbar Seit Wochen wohnt ein netter Mann bei mir zu Haus, gleich nebenan. Stets freundlich zieht er seinen Hut. Frag ich: "Wie geht's?", sagt er: "Sehr gut." Was, dem geht's gut, wie kann das sein? Ich fühl mich neben ihm ganz klein. Mensch, Nachbar, nein, so geht das nicht, sein Glück zerstör´n ist meine Pflicht! Voll Neid sinnier ich jede Nacht, wie man den Kerl zunichte macht. Mein Gott, da muss es doch was geben! So mies wie ich, so soll er leben. Mit meinen Lügen treib ich´s bunt. Gerüchte machen bald die Rund´. Versprüh´ mein Gift in rauen Mengen, bald hört man Tuscheln auf den Gängen. "Nein", fragt ein jeder, "ist das wahr?" "Das ist so einer, war uns klar." "Aha, das ham wir gleich gedacht, dass der Kerl krumme Sachen macht!" Es klappt, er hat jetzt mein Niveau. Mein Ziel erreicht, schmunzel ich froh. Frag ich ihn heut´: "Na, geht es fein?" - "Mein Freund, es könnte besser sein."