Gedichte und Geschichten von Victoria Frost
Trauergemeinde
"Heute woll´n wir hier bestatten
Lenchen Müllers guten Gatten",
predigt laut der Herr Pastor
seinen schwarzen Schafen vor.
"Herr, gib Hans den ew´gen Frieden.
Ihm, der stets korrekt hienieden,
fleißig, treu und redlich war
und sich plagte Jahr für Jahr."
"Hansi Müller war nicht schlecht",
gibt der Arzt dem Pfarrer Recht,
"gut, er hat zu viel gesoffen."
Witwe Lene guckt betroffen.
"Stahl er nicht des Goldschmieds Ketten,
trieb es toll in fremden Betten?",
mischt sich Bauer Rindfleisch ein,
"Müller war schon sehr gemein.
Und die Kinder, sechs an Zahl,
schlug er täglich vier, fünf Mal.
Manchmal trat er selbst den Hund,
stopfte seiner Frau den Mund."
"Hat gelogen und betrogen,
oh, dass sich die Balken bogen,"
gibt Koch Schmalz den Senf dazu,
"Gott, der findet keine Ruh´!"
Banker Cent hat auch Bedenken:
"Müller hielt nicht viel vom Schenken.
Ja, sehr geizig war der Mann,
sparte so Millionen an."
"Alles hat er euch vermacht",
Hansis Anwalt schüchtern lacht.
"Was denn, uns?", fragt Krämer Korf.
Jubelnd tanzt das ganze Dorf.
Schluchzend steht ums Grab man bald.
"Kumpel Hans", der Chor erschallt,
"geh mit Glanz und Gloria.
Ruhe sanft, Halleluja!"