Gedichte und Geschichten von Victoria Frost Verhängnisvolle Annonce Ob es diesmal der Richtige sein würde? Bereits einige Male hatte Monika Kühn Männer getroffen, die sie aus dem Anzeigenteil der Tageszeitung unter der Rubrik "Bekanntschaften" herausgepickte. Die merkwürdigsten Typen waren ihr dabei schon untergekommen. Meist hätte sie am liebsten nur die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen beim Anblick der äußerst suspekten, verklemmten, oftmals allzu hässlichen Spezies des starken Geschlechts. Sicherlich, ein paar Mal glaubte sie, der könnte es sein. Jedes Mal war dann der Katzenjammer groß, wenn sie Ablehnung seinerseits erfahren musste. Aber nach kurzer Trauer sagte sie sich immer wieder, was soll´s? Andere Mütter haben auch schöne Söhne, Monika. Auf ein Neues! Heute war es anders. Schon am Telefon faszinierte Monika die etwas brummige, tiefe Stimme des Heiratskandidaten. Klar, sie hatte den Zenit des Lebens schon um einiges überschritten, glaubte aber, das Gesicht, das sie aus dem Spiegel anlächelte, sähe noch ganz gut aus für sein Alter. Er hatte nur kurz gefragt, woran er sie erkennen könne, und sie beschrieb ihm daraufhin die Kleidung, die sie ab neunzehn Uhr tragen würde. Der Bus startete pünktlich in Richtung Bahnhof. Ein wenig Zeit würde noch bleiben, um sich die Lippen nachziehen zu können und die Haare zu richten. Sie sah ihn schon von weitem auf sich zukommen. "Kommen Sie aus Bremen?", fragte er. "Ja," war die kurze Antwort. "Na, dann wollen wir mal. Haben sie einen Führerschein?" Er zog einen Autoschlüssel mit dem Schriftzug einer Nobelmarke aus der Hosentasche seines Anzugs und drückte ihn Monika in die Hand. Rasch gingen die beiden, dem vor dem Bahnhof geparkten Schlitten entgegen. Ihr schlotterten die Knie. So ein Geschoss hatte sie noch nie gefahren. Vor einer Altstadtkneipe bat er, rechts einzuparken. Er bestellte eine Flasche Champagner und fing an, Monika über ihre Gewohnheiten auszufragen, natürlich auch über den Familienstand. Sie glaubte, ihn schon das ganze Leben zu kennen! Er erzählte, er besäße ein Anwesen in Spanien und suche eine Frau für alle Zeiten und ob sie Lust habe, ihm an einen verzauberten Ort zu folgen, es wenigstens für ein paar Monate zu wagen. Der folgende Tag begann wolkenverhangen. Das Flugzeug startete um vierzehn Uhr. Sie meinte, verrückt zu sein, konnte es nicht fassen, worauf sie sich da einließ. Die im Büro würden schon merken, wenn sie nicht mehr zur Arbeit käme. Für eine Kündigung blieb keine Zeit mehr. Der große, schwere Wagen hatte die Einfahrt passiert. Monika traute ihren Augen nicht, als die prächtige Finca auftauchte. Es kam ihr wie im Traum vor, und sie musste sich zweimal kneifen, um zu begreifen, dass sie sich in der Wirklichkeit befand. Lachend präsentierte ihr Wolfgang das riesige Anwesen und gelobte Monika, bei gegenseitiger Zuneigung nicht nur das Schlösschen zu Füßen zu legen. Die Zuneigung ihrerseits war längst da, sie konnte sie kaum noch verbergen. Die Sterne des südlichen Himmels, der rote Vino, die blaue Nacht und der Spaziergang am Meer im heißen, weißen Sand, taten das Letzte dazu. Sie fand sich neben ihm, in dem mit einem Baldachin geschmückten Bett, wieder. Was dann geschah, war heißer, als der Sand am Meer je sein kann. Besuch kam am nächsten Mittag. Die Nachbarin hieß Brigitte und giftete Monika vom ersten Moment an. Die Musterung war wie ein scharfes Gemetzel. Monika fiel es schwer, gelassen zu bleiben. Brigittes Mann, Karl Hoberg, wirkte da schon verträglicher. Er zählte wohl fünfundsiebzig Lenze und war ganz auf Nähe aus. Nach dem zehnten Vino tinto rückte er Monika immer mehr auf den Pelz, fing an zu lallen:"Toller Mann dieser Wolfgang, was? Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste." Sein derbes Gesicht verzog sich zu einer Maske. Abends in Wolgangs Armen war alles längst vergessen. Es folgten nun Ausflüge, Dinners, Galas, Theaterbesuche und nachts ein Hauch von Glück. Eine Woche bevor Monica ihren Rückflug gebucht hatte, spürte sie zum ersten Mal eine Veränderung in seinem Benehmen. Es passierte, dass er ihr barsch über den Mund fuhr, wenn sie ihm liebe Worte zusäuseln wollte. "Wenn du morgen fliegst, kommst du nicht zurück", sagte er. "Was redest du da? Ich liebe dich", erwiderte sie. "Nein, ich weiß es genau." Seine Stimme bebte. Kurz darauf hörte sie den Wagen starten. Er fuhr weg, ohne ihr Bescheid zu geben? In der Nacht riss sie lautes Gepolter aus dem Schlaf. Wolfgang stand stockbesoffen in der Tür und schrie aus Leibeskräfte: "Raus, du Hure! Los, ich will dich hier nicht mehr sehen!" Er fing an das Schlafzimmer auseinander zu nehmen. Vasen, Figuren, Blumen, Teppiche, alles schleuderte der Berserker durch die Gegend. Auf seiner Stirn schwoll eine dicke Zornesader und überhaupt war das ganze Gesicht zu einer miesen Fratze verkommen. Monika floh ins Wohnzimmer, verbrachte die ganze Nacht zusammengekauert hinter dem großen Lehnstuhl. Er hatte Blumen auf den Frühstückstisch gestellt. Als sie die Terrasse betrat, warf er sich ihr zu Füßen und schluchzte wie ein kleines Kind, flehte um Vergebung. Zweifel an seiner Reue kamen ihr bereits im Flieger zurück nach Deutschland. "Ach was, ein einsamer Ausrutscher, nichts weiter", beruhigte sie sich. Das würde sie schon hinkriegen. Mit viel Liebe sollte es ihr doch wohl gelingen, seine Verlustängste zu bändigen. Es waren kalte, neblige Tage, die sie in Bremen verbringen musste, um ihre bescheidene Wohnung aufzulösen und einige Habseligkeiten unter den verbliebenen Freundinnen zu verteilen. Alles ging schneller, als sie gedacht hatte. Wolfgang rief täglich mehrmals an und versicherte hoch und heilig, wie sehr er sie liebe und wie Leid ihm sein Benehmen täte, er könne ihre Ankunft kaum noch erwarten. Das Verlangen schien größer denn je. Als er sie am Flughafen in Alicante abholte, begrüßte er sie überschwänglich. Er schloss sie so heftig in seine starken Arme, dass die hundert roten Rosen, die er noch schnell erstanden hatte, zu Boden fielen. "Hast du dir die Schuhe abgeputzt?", fragte er, als sie in seinen Mercedes einstieg. "Oh Gott, das habe ich ganz vergessen", lachte sie. Die Tür fiel ins Schloss. Er raunte: "Na warte mal ab, das soll dir noch eine Lehre wert sein." Die Sonne knallte nur so vom Firmament herab. Das Meer war unverschämt blau. Der Cava schmeckte besser denn je und seine Augen glänzten wie zwei Bergkristalle. Sie schwebte im siebten Himmel. In der Nacht war wieder dieses schreckliche Geräusch da. Deja-vu, dachte sie, als er über sie herfiel und aus dem Bett zerrte. Wie von Sinnen prügelte Wolfgang brutal auf Monika ein. Etwas Warmes floss aus ihrer Nase - Blut! Tausend Sterne funkelten vor ihren Augen, bevor die Gnade der Ohnmacht über Monika kam. "Ich krieg keine Luft. Hilfe, ich kriege keine Luft!" Monika brüllte wie ein Löwe, der gerade in eine Falle getappt ist. Das Blut aus ihrer Nase war stark verkrustet und ließ kaum Atmung zu. Der Schmerz in ihrem Kopf hämmerte wild. Die Augen waren stark zugeschwollen. Das bisschen, was sie an Luft wahrnehmen konnte, erschien ihr wie Gestank übelster Sorte. "Wo bin ich, wo bin ich hier?" Das Blöken der Schafe ließ sie ahnen, wo sie sich befand. Es musste der gigantische Stall unweit Wolfgangs Finca sein. "Mein Gott, das hat mir dieses Untier angetan!" Sie fing an, mit den Augen nach einer Fluchtmöglichkeit zu suchen. Bewegen konnte sie sich nicht. "Na, das war nur eine kleine Strafe für ungezogene Mädchen, die sich nicht ordentlich die Schuhe abputzen," hörte sie die bisher geliebte, sonore Stimme des Satans. Er keifte und kreischte jetzt so schrill wie ein hysterisches Weib, was sich jedoch von einer Sekunde zur anderen änderte und in das klägliche Winseln eines getretenen Hundes umschlug. "Komm, sei wieder lieb. Es tut mir Leid. Stell dich doch nicht so an. Es wird nicht wieder vorkommen." Der Widerling wankte auf sie zu, versuchte sie zu küssen. Monika konnte sich noch immer nicht bewegen. Es gelang ihr aber, den Kopf angeekelt zur Seite zu drehen. "Na gibt es denn so was, gibt es das denn? Drückt man so seine Dankbarkeit aus?" Er fauchte. Da war sie wieder, diese gefährliche Zornesader! Etwas Feuchtes war ihr durch das Gesicht gefahren. Eines der Schafe hatte sie abgeschleckt. Schlagartig war sie hellwach. Wie viele Tage mochten vergangen sein? Eine Schale mit Wasser, in dem zwei Fliegen schwammen und ein Stück Käse, mit fetten Brummern bedeckt, standen neben ihrem Kopf. "Die Fenster sind vergittert," schluchzte sie vor sich hin. Sie kroch auf allen Vieren wimmernd durch ihr Gefängnis. Das Holztor wies Löcher auf! Sie fand eine Stange, mit der sie versuchte, die Öffnungen zu vergrößern, um sich einen Durchgang ins Freie zu verschaffen. "Lieber Gott, hilf mir. Hilf mir, hilf mir doch!" Schon nach ein paar Minuten verließen sie wieder die Kräfte. Wenn es dunkel sein würde und die Hitze nicht mehr ganz so grausam dann musste sie es abermals versuchen. Mit einem Donnerschlag sprang das mächtige durchlöcherte Tor auf! "Was hast du gemacht? Habe ich dir das erlaubt, du Schlampe, du dreckiges Miststück?" Das Monster stand direkt vor ihr. Monika roch seinen nach Alkohol stinkenden Atem. Die Augen traten aus den Höhlen hervor. Hinter seinem Rücken blitzte ein Beil! Noch ehe Monika um Gnade flehen konnte, holte er zu einem entsetzlichen Schlag aus. Zuerst flog ihr rechter Arm in das schmutzige Stroh, beim nächsten Hieb der linke. Ein Strom von Blut ergoss sich, bahnte sich seinen Lauf ins Freie, direkt auf die rote Erde Spaniens. Als Monika erwachte, lag sie in einem weißgetünchten Zimmer, in einem ebenso weißem Bett. "Ich habe es überlebt, bei Gott, ich habe es überlebt", weinte Monika. Der erste Gedanke galt ihren Armen. Sie waren ab, das wußte sie. Aber das Leben hatte er ihr nicht nehmen können. Karl, der alte Nachbar, hatte die Verstümmelte in der Scheune gefunden und ohne Zögern ins Krankenhaus gebracht. Wolfgang war tot, man hatte seine Leiche erhängt neben Monika gefunden.